Wer kennt ihn nicht, Grisu, den kleinen Drachen, der unbedingt Feuerwehrmann werden wollte? Für viele Menschen ein Traumjob. Aber was macht es aus bei der Feuerwehr zu arbeiten? Das wollte ich im Rahmen eines Praxistages erfahren. Die Feuerwehr Essen hat mich 24 Stunden hinter die Kulissen blicken lassen.
Wenn man darüber nachdenkt welcher Soundtrack am besten zu diesem Praxistag passt, dann ist es vielleicht „Atemlos durch die Nacht“. Natürlich nur wegen des Titels und nicht wegen Helene Fischer. Was ich in den nächsten 24 Stunden hier auf der Feuerwache 1 der Essener Feuerwehr erleben werde weiß ich an diesem Dienstag um 12 Uhr noch nicht. Was ich aber weiß ist, dass es der bislang längste Praxistag werden wird. Dauerten die Schichten sonst immer zwischen 8 und 10 Stunden, werden es jetzt 24 sein. Erstmal geht es zur Einkleidung. Schutzkleidung und Bettzeug. Letzteres vielleicht ein wenig optimistisch. Denn am nächsten Morgen weiß ich, so richtig in den Schlaf werde ich nicht gekommen sein.
13 Uhr, Dienstbeginn. Heißt, Antreten in der Fahrzeughalle, Verlesen des Dienstplanes, aktuelles und weitere Planungen für die beginnende Dienstschicht. Dann folgen Fahrzeugübernahme sowie eine Kurzübung und Ausbildungseinheiten bevor es zum Tagesdienst übergeht. Ich bekomme ein kurze Führung und ein paar Verhaltensregeln mit auf den Weg. Die erste Hälfte meines Praxistages werde ich auf einem Löschfahrzeug absolvieren. In der Nacht wird mein Arbeitsplatz auf Zeit ein RTW sein. Der erste Einsatz lässt nicht lange auf sich warten. Weitere werden folgen. (Anmerkung: Aus Gründen des Daten- und Persönlichkeitsschutzes verzichte ich an dieser Stelle auf nähere Schilderungen des Erlebten). Zwischendurch immer wieder Routineaufgaben bevor es dann zum gemeinsamen Abendessen geht. Gekocht wird selbst. Es schmeckt ganz fantastisch.
Zwischendurch und jetzt gibt es Zeit für das ein oder andere Gespräch. Ich merke schnell, bei der Feuerwehr zu arbeiten ist mehr als nur ein Job. Auch wenn der Beruf herausfordert und die Umstände für viele Außenstehende abschreckend wirken. Beispielsweise 24/48 Stunden Dienste oder auch eine kürzere durchschnittliche Lebenserwartung. Und dennoch erzählen mir alle, wie gern sie hier arbeiten und dass sie sich nichts anderes vorstellen können. Hinzu kommt ein ausgeprägter Teamgeist, der sich eher anfühlt als wäre man zu Gast bei einer großen Familie.
Ich beginne immer mehr zu verstehen was es so besonders macht hier zu arbeiten. Was ich nicht verstehen kann ist, dass es Menschen gibt, die unseren Feuerwehrleuten nicht die Wertschätzung und Anerkennung entgegenbringen, die sie verdienen. Dabei geht es gar nicht so sehr um körperliche Gewalt gegen Einsatzkräfte. Denn das, so erzählt man mir, sei gar nicht so sehr an der Tagesordnung wie manche meinen. Allerdings häufen sich die Respektlosigkeiten. Quer durch alle Bevölkerungsgruppen und aus Richtungen aus der man sie nicht vermuten würde.
Zum ersten Mal höre ich hier auch von der Organisation Feuerkrebs, die erreichen will, dass bestimmte Krebserkrankungen als Berufskrankheit bei Feuerwehreinsatzkräften anerkannt werden. Feuerwehrleute nehmen im Einsatz giftige und krebserregende Stoffe über die ungeschützten Atemwege, aber auch über die offenen Poren der Haut auf. Etliche Studien haben nachgewiesen, dass bei Feuerwehrleuten das Risiko, an Krebs zu erkranken, bereits nach wenigen Jahren deutlich höher ist. Dennoch wird Krebs in Deutschland anders als zum Beispiel in Kanada nicht als Berufskrankheit anerkannt und die Retter und ihre Familien werden mit den Folgen allein gelassen. Das macht mich sehr betroffen und offen gesagt beschämt mich das auch. Denn wir reden über Menschen, die sich für uns alle Gesundheitsrisiken aussetzen und ihm Zweifel auch ihr Leben riskieren. Anerkennung und Wertschätzung sieht anders aus.
Es bleibt aber kaum Zeit weiter darüber nachzudenken. Denn um 21 Uhr ist Kleidungswechsel angesagt. Von Blau auf Rot. Die nächsten 12 Stunden fahre ich mit Tim und Samuel auf dem RTW. Es ist eine relativ ruhige Nacht erzählen beide. Kommt mir trotzdem irgendwie unruhig vor. Denn jeder Einsatz bindet eine Menge Zeit. Anfahrt, Zeit vor Ort, Fahrt ins Krankenhaus und ggf. ein Weitertransport. Kaum liegt man im Bett vergehen gefühlt nur wenige Minuten, wenn hinter mir der Melder anfängt zu vibrieren und einen unsanft aus dem Schlaf holt. Eine Minute habe ich Zeit, um mich anzuziehen und die Treppen in die Fahrzeughalle zu laufen. Klappt ganz gut. Sicher auch weil ich anders als sonst die Socken im Bett einfach anbehalte. Bei manchem Einsatz frage ich mich, ob es wirklich nötig war den Notruf zu wählen. Aber sei es drum. Tim und Samuel bleiben immer professionell und respektvoll im Umgang. Ganz ehrlich, ich bin mir nicht sicher, ob ich das könnte. Aber die positive Grundhaltung der beiden steckt mich an. Und so gelingt auch das Selfie zu nachtschlafender Zeit.
Die Zeit vergeht wie im Flug. Meine Schicht auf dem RTW endet. Aber unter die Dusche, zurück in die Straßenkleidung und zum gemeinsamen Frühstück. Letzter Abschnitt: Leitstelle. Ein Stück weit das Gehirn, in dem alle Informationen zusammenlaufen. Ein Job mit großer Verantwortung. Fehler können ernste Konsequenzen haben. Unfassbar, dass auch hier Menschen keine Grenzen kennen. Dabei ist der Missbrauch des Notrufs als Auskunftei noch das harmloseste. Vermeintliche Spaßanrufe (die alles andere als spaßig sind) und Beschimpfungen sind auch darunter. Das alles blockiert den Notruf für alle diejenigen, die dringend Hilfe benötigen. Das Verhalten mancher Menschen auf der Straße mit Blick auf das Blockieren von Rettungswegen, die Unfähigkeit eine Rettungsgasse zu bilden oder auch das Behindern von Einsätzen setzt sich hier am Ende der Telefonleitung nahtlos fort. Das häufig der Faktor Zeit über Leben und Tod entscheidet scheinen einige auszublenden. Vielleicht sollte sich einige einfach mal fragen wie es ist, wenn man selber auf Hilfe angewiesen ist.
Trotz dieser Schattenseiten gibt es doch jede Menge Licht, macht der stellvertretende Feuerwehrchef Thomas Lembeck in unserem Schlussgespräch deutlich. Der überwiegende Teil der Essener*innen weiß die Arbeit der Feuerwehr sehr zu schätzen. Es ist halt wie in den Nachrichten. Da überwiegen ja auch immer die schlechten Botschaften. Das deckt sich auch mit meinen Erfahrungen.
Am Ende meiner 24 Stunden bin ich müde, aber dankbar für die Einblicke in den Alltag unserer Feuerwehrleute. Vor allem die Offenheit und der Teamgeist sind es, die mir den Praxistag einfach und unvergesslich machen. Denn für mich ist das alles andere als selbstverständlich.
Unsere Feuerwehrleute machen einen fantastischen Job. Dafür kann man nicht oft genug Danke sagen. Und dafür wünscht man den Frauen und Männern die Anerkennung und den Respekt den sie zweifelsohne mehr als verdienen, aber leider nicht immer bekommen. Vielleicht machen sich einige Menschen mal einige Gedanken darüber und überdenken dann ihr eigenes Verhalten!
Es war mit Sicherheit einer meiner bislang intensivsten Praxistage mit vielfältigen und in Teilen auch nachdenklich machenden Eindrücken. Ich hoffe sehr, dass es mir gelingt zumindest einen Teil davon weiterzutragen und für die Anliegen unserer Feuerwehrleute zu werben.
Ich werde die 24 Stunden bei der Essener Feuerwehr ganz sicher in guter Erinnerung behalten und mich über ein Wiedersehen freuen. Hoffentlich nicht im Rahmen einer Hilfeleistung. Und wenn doch, dann weiß ich, dass ich in guten Händen bin!